Zum bereits 12. Mal fand am 15. Oktober 2023 die offene Präsentationsplattform für Tanz »Raw & Polished« in der Tanzzentrale Fürth statt, veranstaltet in ehrenamtlicher Organisation von Anne Devries und Henrik Kaalund. Im vollbesetzen großen Saal wurden 6 Stücke regionaler und internationaler Künstler*innen vor etwa 90 Zuschauer*innen präsentiert.

Den Abend eröffnete Margherita De Pieri (IT), die in Modena lebt und arbeitet, mit ihrem Stück »Il rossignuolo«. Es ist in Zusammenarbeit mit dem Choreographen Alex Atzewi entstanden ist. Mit umwerfend spritziger Dynamik ließ sie das Rotkehlchen, um das es in dem Stück geht, zu Musik von Vivaldi in verschiedensten Varianten buchstäblich durch den Raum fliegen. Danach präsentierte Henrik Kaalund (DK/D) aus Fürth Ausschnitte aus der sich in der Entwicklung befindenden Produktion »LIT«, die im März 2023 in der Tafelhalle Premiere hat und die das Verhältnis von Mensch und Technik hinterfragt. Die Bandbreite der Produktion wurde den Zuschauenden durch interaktive Szenen und Videoproduktionen als Begleitung zum Tanz erfahrbar. Marcel Casablanca (E) zeigte im Anschluss daran »Us estimo - Listen Carefully«. Der aktuell in Berlin lebende Künstler stammt ursprünglich aus Barcelona. In ausdrucksstarken Bewegungen gewährte er einen Einblick in seine Tagebuchaufzeichnungen, die begleitend auf Englisch und Katalanisch eingesprochen wurden. Mal fliegend, mal sich windend, formte er den Gedankenstrom des Textes nach und zeichnete schließlich tanzend farbige Linien auf seine Haut.

Nach der Pause zeigte das Fürther Projekt e!motion2023 unter Leitung von Anne Devries (D) ihre Performance »un!GLEICH?«, die als erstes Ergebnis einer Research-Phase zum Thema „Was verbindet/unterscheidet Menschen?“ entstanden ist. Die 10, durch Papiertüten-Masken zunächst unkenntlichen, Performer*innen begannen mit minimalistischen Bewegungen, in denen sie gefangen waren. Nach und nach nahmen sie verbal und körperlich verschiedene Standpunkte ein und kreierten daraus wechselnde Gruppenzugehörigkeiten, um sich schließlich zu verbinden und wie ein lebendiger Organismus durch den Raum zu wandeln. Mit ihrem Stück »DiSCORDIANCE« verkörperte die in München tätige Aurora Bonetti (IT) den inneren Monolog eines ruhelosen Geistes. Ihre sich wiederholenden und nur allmählich variierenden Bewegungsschleifen ließen die beklemmende innere Realität spürbar und sichtbar werden. Ihre Bewegungssprache war präzise und minimalistisch. Die letzte Präsentation des Abends war »Nekrology« von Ginjo & Ayaka Sakai aus Japan, die beide seit einem Jahr in Berlin leben und arbeiten. Im Stück verarbeiten sie die mitunter schwierigen Erfahrungen, die sie seit ihrer Ankunft in Deutschland gemacht haben. Eindrückliche bewegte Bilder und mit Leichtigkeit getanzte Hebungen und Sprünge nahmen die Zuschauenden mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Die ästhetisch stilisierten Bewegungen ließen schlaflose Nächte, Verwirrung bis an den Rand des Wahnsinns und gleichzeitig den Halt der innigen Verbundenheit lebendig werden.

Die moderierte Feedbackrunde zum Abschluss des Abends bot wie immer die Möglichkeit zum Austausch zwischen Zuschauenden und Auftretenden. Insbesondere die Eindrücke von „Nicht-Fachleuten“ zu hören, wurde dabei von den Tänzer*innen als besonders inspirierend und erfrischend empfunden. Das wertvolle Feedback kann in die Weiterbearbeitung der präsentierten Stücke einfließen.

Abendmoderation: Anne Devries
Lichtdesign/Videos: Henrik Kaalund
Ton/Lichtsteuerung: Chiara Fersini
Fotos: Manfred Hierdeis

Die nächsten Ausgaben von Raw & Polished finden am 7. April und 13. Oktober 2024, jeweils 18 Uhr in der Tanzzentrale statt. Interessierte Tänzer*innen können ihre Bewerbungen ab sofort einsenden. Geeignet sind sowohl für fertige Stücke als auch work in progress. Bewerbungen, weitere Infos und Fragen per Mail an Anne Devries & Henrik Kaalund unter: rawandpolished@gmail.com